Samstag, März 13, 2010

Fische

Elf Keilfleckbärblinge, fünf Pandas, ein Phantomsalmler und drei Blauwelse, das war bis vor etwa zwei Monaten noch der Bestand des 160 Liter Aquariums, das sich seit Weihnachten etwas über Bodenhöhe neben der Treppe und unter den DVD-Regalen im Wohnzimmer befindet.


Der Salmler ist das traurige Überbleibsel eines ganzen Schwarm, er scheint sich aber so wohl bei den Bärblingen zu fühlen, dass die Strapazen einer Umsiedlung nicht sinnvoll wären. Aus den fünf Pandawelsen sind vier geworden, keine Ahnung, warum der eine seine Barteln abgegeben hat.

Aber aus den drei Welsen, jeder etwa fünfzehn Zentimeter lang, sind über hundert geworden.

Es stellte sich heraus, dass Franz, mein ältester Weggefährte (er hat über dreizehn Jahre mehrere Umzüge mitgemacht), eigentlich ein Weibchen ist, ganz klar zu erkennen beim Vorgang des Eierlegens. (Sie war also ihr Leben lang ein Transwestit, anders kann ich mir nicht erklären, wie sie unentdeckt unter dem Namen Franz von Becken zu Becken leben konnte.)

Zwei Gelege hat Franz abgelegt, alle geschlüpft, nun tummeln sich über hundert Babywelse im Becken, sodass ich ein kleines Aufziehbecken einrichten musste. Zur Fütterungszeit sieht es darin aus wie in einem Blutegelbecken: duzende kleine, kaulquappenartige Fischjunge fallen über die Tabletten her und balgen um Algen, als ob es kein Morgen gäbe.

Franz ist kurz nach dem Schlüpfen des zweiten Geleges gestorben. Ihr sind wohl die Strapazen zweier Geburten innerhalb kurzer Zeit zu viel geworden. Der Papa der Sippe, Francesco, hat sich dafür aufopfernd um seinen Nachwuchs gekümmert, die Höhle bewacht, das Nest sauber gehalten, "Feinde" verscheucht; ein wahres Vorbild.

Aber was mach ich jetzt mit über hundert Fischen? Ich müsste das ganze Wohnzimmer unter Wasser setzen, um ihnen einen angemessenen Lebensraum bieten zu können..

Wer also gerade daran denkt, sich ein Aquarium einzurichten, Welse bitte nicht kaufen, sondern mir sagen! Ach ja, und sie sind wunderschön!

Freitag, Februar 19, 2010

Hobbyist von Beruf


Wie schön wäre es doch, nie wieder arbeiten zu müssen! Nur noch das tun, was man will, nie mehr das, was man muss, und am liebsten alles tun, was man kann, aber nicht darf.
Der Traum vom Nichtstun, vom Schlaraffenland, in dem Honig statt Wasser in den Bächen fließt, ist so alt wie Gottes gemeine Worte: "Im Angesicht deines Schweißes sollst du dein Brot essen, bis du zum Ackerboden zurück kehrst (du nichtsnutzige, faule Menschensau du)!" (Genesis 3, 19.)

Wir müssen nun mal arbeiten, daran führt, zumindest für die meisten von uns, kein Weg vorbei. Und ja, das betrifft auch mich, auch wenn ich im Winter oft eher Däumchen drehe, weil aufgrund der jährlichen, jahreszeitlich bedingten Winterpause fast keine Jobs reinkommen.

Nun hab ich mir ja eine Arbeit gesucht, die mir wirklich Spaß macht, die ich gern mache und die ich gegen keine andere Arbeit tauschen möchte. Als Continuity verdiene ich mein Geld, bin auf Filmsets immer wirklich mitten im Geschehen, anstatt Zaungast zu bleiben, ohne dabei den Druck zu haben, große Entscheidungen fällen zu müssen; das dürfen ruhig meine Chefs machen, der Regisseur am Set in erster Linie, und der Produktionsleiter im Hintergrund. Ich kann also zufrieden sein.

Nur, dass ich eigentlich mehr möchte. Jedes Jahr kommt irgendwann der Punkt, an dem ich mir denke: "Eigentlich wolltest du doch selber Filme machen! Und jetzt arbeitest du für andere, damit deren Visionen zustande kommen." Das ist, wie gesagt, nicht schlimm, aber es wurmt mich, vor allem auch deshalb, weil ich in den Wintermonaten, in denen ich genügend Zeit hätte, eigene Projekte voran zu treiben, meist wie gelähmt bin und überhaupt nichts auf die Reihe kriege. Der Gedanke "was ich nicht alles tun sollte" führt einzig dazu, dass ich mit meinem Hintern auf den Händen sitzen bleibe.

Mein Hobby habe ich zu meinem Beruf gemacht, aber weitergehen tut gar nichts. Und darum mache ich meinen Beruf jetzt wieder zum Hobby.

Das bedeutet nicht, dass ich meinen Job als Continuity an den Nagel hänge, ganz im Gegenteil. Job ist Job und ist nötig wegen Kohle zum Heizen und warmen Zehen und so. Aber das Selberfilmemachen soll wieder einen anderen Stellenwert bekommen.

Es soll Spaß machen, wenn ich mich hinsetze um eine verrückte Geschichte zu schreiben, in der zwei Typen die Welt retten, indem sie eine DVD in den Videoladen zurück bringen. Ich will Lust haben auf kleine, wilde Lowbudget Drehs, die null Kohle bringen, aber bei denen man mit motivierten Leuten zu tun hat! Und ich will keinen Druck mehr haben, dass ich "endlich meinen nächsten Film machen muss"! - Davor lauf ich sowieso immer davon, also wozu sich quälen?


Schreiben als Hobby bedeutet, dass ich es machen kann, wenn ich Lust habe, und wenn ich keine Lust habe, habe ich keinen Druck. Ist doch schön. Wozu leb ich denn sonst?!

Und sterben werde ich sowieso.

Wünscht mir Glück!

Mittwoch, Februar 17, 2010

Regen, genial!

Es ist erst eine halbe Stunde her, dass ich aus dem Bett gestiegen bin, und schon habe ich etwas gelernt! Seit über fünf Jahren lektoriere ich nun schon Drehbücher, schreibe selbst, kenne mich, ohne anzugeben, ganz gut aus mit der Materie.

Doch heute ist mir ein Knopf aufgegangen, Dank Herrn William C. Martell, seines Zeichens Hollywoodautor für B-Movie Actionfilme, dessen Scriptwriting Tips ich seit einiger Zeit verfolge, und gleichermaßen Dank Herrn Kollegen Christian Genzel, der mich auf dessen Blogseite überhaupt erst gebracht hat.

Es geht um Konflikt. Soviel ist klar. Ein Film lebt davon, dass es einen Helden gibt, der etwas erreichen will, und was ihm dabei im Wege steht, ist der Konflikt, der das Ganze dramatisch macht.

Nach der Lektüre vielleicht duzender Drehbuchanalyse- und -schreibanleitungen (schreibt man das so?!?) war ich immer der Meinung, Konflikt entstehe durch das Aufeinandertreffen von Charakteren. Das ist schließlich auch die landläufige Auffassung des Wortes Konflikt - es geht dabei scheinbar immer um Menschen, ob im Krieg oder unter Nachbarn.

In Martells watscheneinfachem Beispiel für Konflikt, kommt nun aber nur eine einzige Person vor, eine Offenbarung für mich! Ich oute mich jetzt wahrscheinlich als ignoranter Hinterwäldler, weil das wohl jeder ohnehin schon längst weiß, was mir erst jetzt klar wurde:

Es braucht keine Personen, um Konflikt entstehen zu lassen.
Es genügen widrige Umstände. ("Ahh, jaja, eh klar, natürlich..")

Hier kurz zusammen gefasst das Beispiel aus den Script Tips, weil´s so schön einfach ist:
1. Ein schöner Tag im Freien, die lieben Vöglein singen neben der leeren Landstraße. Ein Typ wechselt einen Autoreifen am Straßenrand. Als er fertig ist, steigt er ein und fährt weg.
2. Es gießt in Strömen, dichter LKW-Verkehr donnert über die Autobahn, die Sicht ist gleich Null. Ein Typ wechselt einen Autoreifen am Straßenrand. Als er fertig ist, steigt er ein und fährt weg.

Allein die Rahmenbedingungen zu verändern erzeugt Spannung und Konflikt. Denn dramatischer Konflikt ist nicht an Menschen gebunden, er entsteht allein durch Widerstände, die es dem Helden schwerer machen, sein Ziel zu erreichen. Heureka!

Donnerstag, Februar 11, 2010

Namen, Namen, so viele Namen

Wer anfängt, eine Geschichte zu schreiben, kennt das Problem. Die Idee ist bereits in ein paar kurze Worte gefasst, die Figuren haben ihre grundlegenden Eckpunkte in der Story zugeordnet, aber wenn man sich diese ein bis zwei Seiten dann durchliest, kennt man sich selbst schon nicht mehr aus:

Typ raubt Bank aus, Cop nimmt Verfolgung auf. Anderer Typ steigt aus Versehen ins Fluchtauto vom ersten Typ ein, das er für ein Taxi hält. Cop und Kollege folgen falschen Taxi, lernen dabei nettes Mädchen kennen. Typ 1 - der Bankräuber - liefert Typ 2 (den anderen) zu Hause ab, wo der Cop und dessen Kollege schon warten, denn das Mädchen ist die Schwester von Typ 2...

Naja, und so weiter eben. Ein Absatz geht ja gerade noch, aber eine Seite ohne Namen ist wie eine Seite ohne Inhalt: Man verliert beim Lesen das Interesse fast schneller als den Überblick.


Also her mit Namen: Jack, John, Jim, Jason, Jakob, Charlie, Chan und das ist nur ein kleiner Teil des amerikanisch verseuchten Alphabets. Da aber der Deutsche Film eher ungern mit anglizistisch klingenden Namen arbeitet, braucht es wohl andere Namen.

Zum Glück gibt es Abkürzungen - die freilich manchmal länger dauern als der eigentliche Weg: Hier eine kurze Liste mit Namensgeneratoren für verschiedene Zwecke:

Heroic Name Generator
Der Anfang aller Namen. Jede Story braucht einen Helden, hier ist sein Namen:
Cody Steel! oder Steve March! (naja) oder Kip Strongblade! Eh schon wissen.

Mikronationaler Namensgenerator
Wähle ein Land und die Anzahl der Vor- und Nachnamen; etrem hilfreich, nur Österreich ist nicht dabei.
Ergebnis: Olaf Peter Kohlmann-Fischberger. Klingt so dumm, dass es schon wieder authentisch wirkt.

Fantasynamen (für Elfen, Zwerge und Unholde aller Art)
Spukt eine ganze Liste von Namen in einer Tabelle aus, die sich dann ganz leicht kombinieren lassen; besonders nützlich, wenn man eine ganze Armee von Orks namentlich benennen muss.
Beispiele: Iok Cukok, Garriik Tikliik (klingt kitzelig), Doyokt Vorcdoct. Auf diese Namen kommt man auch mit noch so viel Nachdenken nicht von allein.

Da es eine umfangreiche Liste mit Generatoren bereits gibt, sei hier der Einfachheit halber auf die australische angelbliche Mutter oder Königin oder Göttin derselben verwiesen:

Namegenerators (englischsprachig)


...
Nun bin ich für eine neue Story tatsächlich auf der Suche nach Namen:

Zwei Typen erst mal, etwas doof, aber im Grunde harmlos und gutherzig, deutsch mit der Möglichkeit österreichisch zu sein. Mal sehen.

Marko Morgenmann (etwas zu alt)
Stefan Kohlbacher
Seiji Uehara-san
Nun ja, vielleicht hält sich diese Figur ja für den Nachfahren eines berühmten Ninjakämpfers..

Sonntag, Februar 07, 2010

Und täglich grüßt das Murmeltier

Was wäre, wenn...

... wir lange Zeit immer wieder den selben Tag erleben müssten, ohne Ausweg, nichts verändert sich in unserem Umfeld und vor allem geht alles immer wieder von vorne los, wenn wir morgens aufwachen. Wie bei Phil, so wunderschön lapidar gespielt von Bill Murry in der bekannten Zeitschleifenkomödie Und täglich grüßt das Murmeltier.

Nun schafft es Murry ja am Ende, sich der ewigen Schleife zu entledigen, indem er sich vom sarkastischen Misanthropen zu einem netten Allroundhelfer für Jung und Alt wandelt und so das Herz seiner lieben Arbeitskollegin Rita (Andie MacDowell) gewinnt.
Nachdem er all seinen Egoismus abgelegt hat, den er Tag für Tag am 2. Februar bis zum Exzess zelebriert hat, ist er nun endlich glücklich. Und Rita ist es auch. Und sie sind aus der Zeitschleife befreit und dürfen ihr Leben gemeinsam weiter führen, ohne sich jeden Tag von Neuem kennen lernen zu müssen.

Nun, leider ist genau da der Haken. Denn was uns der Film als Happy End verkauft, ist in Wahrheit der Anfang vom Ende.


Just in dem Moment, in dem zwei Menschen endlich glücklich vereint sind, auf Normalmodus umzuschalten, ist doch das Widersinnigste überhaupt! Zwei verliebte Menschen wünschen sich doch gerade, dass die Zeit stehen bleibt, nicht vergeht, dass der Tag sich ewig wiederholen möge. Und hier hat Phil diese Möglichkeit, und als er endlich zu seiner Liebe findet, schaltet sich die Uhr wieder ein - tick, tack, tick, tack - und das Leben geht einfach weiter.

Jaja, Rita hatte keine Erinnerung an die ewigen Wiederholungen, und deshalb ist dieser Ausbruch auch nötig, sonst müsste sie sich ja jeden Tag neu in Phil verlieben, damit sie beide glücklich sein können.
Aber ist es nicht trotzdem ein Widerspruch, so offensichtlich wahr und zugleich falsch?! Hat die Liebe einmal eingeschlagen, wünscht man sich nichts sehnlicher, als ein ewiges Leben in diesem Moment. Wiederholt sich der Moment aber dann, kann es dann Liebe bleiben, welche die Menschen zusammen schweißt?

Liebe braucht Raum für Veränderung, um bestehen bleiben zu können, ist in diesem Raum aber immer auch der Gefahr des Verwehtwerdens ausgesetzt.

Insofern muss ich mich im Bezug auf den Film korrigieren: Er ist weder blöd, noch unrealistisch, wenn er die Zeit im Unglück ewig lange anhält, um sie im Augenblick des größten Glücks wieder weiter laufen zu lassen.
Wahrscheinlich kommt er der Realität damit näher, als ich es wahr haben will.

Samstag, Februar 06, 2010

Ach, scheiß drauf!

Wir sind ja nun schon mal dabei, über das Leben nachzudenken, über Konsequenz, Disziplin, Entscheidungen - oder eben unserer Unfähigkeit all diese tollen Dinge betreffend. Und weil ich immer noch überzeugt davon bin, dass Produktivität nicht ohne einen Menschen funktioniert, der einen gewissen Spieltrieb hat, hier eine kleine Anekdote aus der täglichen Hölle des vermaledeiten Pokerspiels.

Ein Multitableturnier auf Pokerstars, über zwei Stunden gespielt, noch gut 600 Spieler von 2500 übrig, Blinds bei 125/250 Ante 50. Ich war eine Zeit lang ganz gut dabei, habe aber vor einigen Händen den Großteil meines Stacks wieder hergegeben und bin jetzt mit ca. 5000 nur noch etwa halb so groß wie der Durchschnitt. Ich sitze im Big Blind mit AJs ("As und Bube von der gleichen Farbe") und allein der Button limpt. ("Der letzte Spieler in der Runde bezahlt den Grundeinsatz, ohne zu erhöhen.") Ich erhöhe auf 750, der Button geht mit. 2325 im Pot, das ist mehr als die Hälfte von allem, was ich noch habe (jetzt noch gut 4000).

Der Flop (die ersten drei Gemeinschaftskarten) wirken etwas gefährlich, weil sowohl Flush- als auch Straightdraws möglich erscheinen. (D.h., mit den noch folgenden Karten kann sich die Hand des Gegners zu einem Flush oder einer Straße entwickeln und mich schlagen.) Der Gegner hat gelimpt und gecallt, vom Button, er kann alles Mögliche haben, also setzt ich, halben Pot, damit´s nicht gleich all meine Chips sind, und weil ich mit meinen beiden Overcards - so denke ich mir - noch eine gute Hand habe. Wenn ich nur checke, setzt der Button wohl automatisch.

Dumm gedacht, der Button called wieder nur, und jetzt liegt ein Paar auf dem Board, ungemütlich im besten Fall. Viel zu viele Chips liegen in der Mitte und ich frage mich, ob ich da überhaupt noch aussteigen kann - ich wäre ultrashortstacked und müsste in den nächsten Runden wahrscheinlich mit irgendeinem Mistblatt All-in gehen, all meine Chips reinstellen.

Scheiß drauf, ist eh egal, rein mit den Chips und hoffen, dass der Button doch noch foldet.
Tut er natürlich nicht.
Der liebe Button called alles, also gucken, was er so in der Hand hat. Ein kleines 5er-Pärchen.
Die Sau!

Eine einzige Karte noch, und das müsste jetzt ein As oder ein Bube sein, sonst bin ich draußen aus dem Turnier.
Und.. und.. und..

Was ich sagen will: Diese Art von erzwungenen Entscheidungen bringt einen zwar immer irgendwo hin, aber selten dorthin, wo man hin will.
Man manövriert sich in eine Situation, aus der man nicht mehr raus kann, oder glaubt, nicht mehr raus zu können, denkt sich "Scheiß drauf", wirft eine Münze und glaubt, man könne ohnehin nichts anderes tun.

Aber das stimmt nicht! Was es in dieser Situation braucht, ist Zeit: zum Nachdenken. Und die sollte man sich in scheinbar ausweglosen Situationen immer nehmen, denn Möglichkeiten gibt es immer, solange wir leben. Daran will ich glauben.

Womit sich der Kreis irgendwie wieder schließt, denn ich werde sterben, wie wir festgestellt haben, und dann ist es wirklich aus mit Entscheidungen.
Aber bis dahin nicht.
Wünscht mir Glück!

Freitag, Februar 05, 2010

Es lässt mich nicht los

Trotz früher Frühjahrsmüdigkeit bewegt mich der gestern behandelte Gedanke immer noch. Im Bemühen, produktiv zu sein, und in der Hoffnung, dies zu bleiben, hängt meine eigene Vergänglichkeit stetig mit mir rum, auf dem Sofa, im Bett, im Auto sowieso, auch im Café-Haus. Zur Erinnerung:

Ich werde sterben.

Weil diese drei einfachen Worte für mich so viel Ähnlichkeit mit den Worten "Ich liebe Dich" haben, zumindest, was die Gewichtigkeit ihrer Bedeutung anbelangt, bin ich tatsächlich am überlegen, diese in einem verspäteten Anflug von Neujahrsenthusiasmus zu meinem Motto für das bereits laufende Jahr 2010 zu machen.

Und weil Neujahrsvorsätze auch immer noch ein Thema sind (die meisten werden die ihren, wenn sie nur ein wenig ähnlich geartet sind wie ich, also menschlich und nicht hyperdiszipliniert oder krankhaft neurotisch, bereits gebrochen haben), werde ich mir in den nächsten zwei Wochen auch noch einen Vorsatz überlegen, den ich nicht unbedingt brechen muss; das ist mein Vorsatz bis dahin.

Er sollte sich natürlich an einem Hauptlebensbereich orientieren - Beruf, Beziehung, Wohnung, Körper, Bildung oder Ähnlichem - aber so etwas braucht bekanntlich Zeit um sich zu entwickeln, und ich will mich noch nicht sofort festlegen.
- Was ja eigentlich schon ein Thema für einen Vorsatz wäre, oder ein Vorsatz selbst: Entscheidungen treffen.

Entscheidungen zu treffen ist ja nicht wirklich meine Stärke, wozu sich nicht unbedingt vorteilhaft die Schwäche gesellt, einmal getroffene Entscheidungen dann nicht einzuhalten. Es ist fast schon ein Running Gag, auf eine Entscheidungsfrage, zu deren Beantwortung ein klares "Ja" oder "Nein" vollends genügen würde, ein zutiefst österreichisches "Schau ma mal" zu setzen, die sicherste Methode, weder in der Gegenwart noch in der Zukunft irgendetwas entscheiden zu müssen oder gar etwas zu erreichen.

Ich bin ja nun mal Österreicher, und als solcher ein in dieser Beziehung so typisches Exemplar, dass der Ärger darüber, mich nicht entscheiden zu können, mich beinah zum Ärger über meine Herkunft verleiten könnte, wäre da nicht der vermeintlich rettende Umstand, dass ich mich gar nicht erst aufraffen kann, mich darüber zu ärgern, so zu sein, wie ich nun mal bin.

Auffällig in diesem Zusammenhang ist eine zweite zutiefst österreichische Eigenschaft, nämlich jene der Verwendung des Konjunktivs, vorzugsweise in der Möglichkeitsform (Konjunktiv I), die wiederum keine Entscheidung zu und im Gegenzug dafür alles offen lässt.

(Die zweite Form des Konjuktivs - conjunktivus irrealis oder Konjunktiv II - ist im Österreichischen ebenfalls weit verbreitet, vor allem, wenn man über sich selbst und verpasste Möglichkeiten reflektiert, und sie scheint bei näherer Betrachtung durchwegs aus dem bereits erwähnten Konjunktiv I zu resultieren. Sie findet gängigen Gebrauch im geflügelten "Hätt i, tat i, war i" - einem ironisch resignativen Ausdruck alternden Selbstbedauerns nach verpassten Chancen, auch Looser- oder Verliererkonjunktiv genannte.)

Damit soll nun, wenn denn in den nächsten Wochen tatsächlich eine Entscheidung fallen sollte, wenn schon nicht endgültig, so zumindest vorläufig, Schluss sein! Ein für Allemal, vielleicht!

Da ich sterben werde, kann es sicherlich nicht schaden, an Vorsätzen zu arbeiten, zumindest, solange es nicht zu spät ist.

Nachtrag:
Ich erinnere mich nun übrigens doch, zwei Vorsätze für 2010 formuliert zu haben. In der Einhaltung aber ist mir bislang nur wenig Erfolg beschieden gewesen:

1. Täglich mindestens eine halbe Stunde schreiben. (Vorsatz gebrochen nach drei Tagen.)
2. Durch Poker mein Spielkonto bis Ende des Jahres auf 20.000 US-Dollar aufstocken. (Zur Zeit bin ich 20.200 US-Dollar davon entfernt.)

Donnerstag, Februar 04, 2010

Das Leben wohnt dem Tode inne

Es mag vielleicht ein düsterer Gedanke sein, vor allem zum Wiedereinstieg in die virtuelle Welt des Schreibens, welche davon lebt, dass sich stets über Befindlichkeiten und Seinszustände geäußert wird, möglichst zeitnah zum vermeintlich tatsächlich realen Geschehen, und wenn man bedenkt, wie lange ich nun schon nicht mehr geschrieben habe, von Onlinepostings soll erst gar nicht die Rede sein, dann könnte man diese Zeilen ohne allzu viel Übertreibung ja sogar als eine Art Wiedergeburt sehen, die Auferstehung des Kindes, das nie wirklich gelebt hat, bevor es sich aus unbekannten Gründen dem Dasein mit dem Dogma seiner hartnäckigen Abstinenz gewidmet hat, aber, um zurück zum Wichtigen zu kehren, es ist wahr:

Ich werde sterben.

Fast bin ich versucht "Kein Grund zur Panik!" zu rufen, es ist nicht allzu akut, das wage ich mit auf einer gewissen Wahrscheinlichkeit beruhenden vernünftigen Sicherheit voraus zu sagen, doch diese drei Worte haben, ich gebe es unumwunden zu, etwas bedenklich Gravierendes an sich: Ich werde sterben.
Ich habe keine Krankheit, die mich in nächster Zeit das Leben kosten würde, zumindest weiß ich im Augenblick von keiner und hoffe, dass das auch noch eine Weile so bleibt. Auch habe ich keine Morddrohung erhalten, die mir ein gewaltsames Ableben in unmittelbarer Zukunft in Aussicht stellte, das wohl ohnehin lächerlich dramatisch und obendrein so sinnlos wie der liebe Tod selbst, da es bei mir nun wirklich nichts zu holen gibt, außer das Leben.
Und, nein, ich bin auch nicht, wie einige hoffen, andere vielleicht fürchten werden, wieder in den Schoß einer monotheistischen Religion zurück gekehrt, die mir nahe legt, doch noch während des Lebens zu sterben, damit ich jenseits des Jordan dafür umso besser lebe, ein Gedanke, auf den manch einer fälschlicher Weise bereits bei der Erwähnung des Wortes Wiedergeburt verfallen sein mag.

Es ist simpel und einfach, vergnüglich oder nicht, ein denkenswerter Gedanke:

Ich werde sterben.


Grammatikübung - Verben

Man könnte das als Vollverb verwendete Hilfsverb sein im Futur Indikativ werden ersetzen, der Einfachheit halber im Präsens, etwa durch das Modalverb müssen: Ich muss sterben. Auch die Verwendung des Modalverbes dürfen ist nicht verboten: Ich darf sterben. Wollen hat einen etwas unangenehmen Beigeschmack, kommt im Zusammenhang mit dem Tod aber auch zu oft vor, als dass man die Variante unter den Tisch fallen lassen könnte: Ich will sterben. Die banalste Modalform steckt wohl in können: Ich kann sterben. Etwas unverständlich, solange man nicht gedanklich ein externes Agens hinzu zieht, etwa einen Mitmenschen, einen Gott oder ein Klavier, das vom Himmel fällt, verhält sich schließlich sollen: Ich soll sterben. Der Gedanke hat, so finde ich, bei näherer Betrachtung auch schon wieder etwas Tröstliches an sich.

Bleibt man beim Indikativ, so lässt dieser sich als nächstes in der Zeit verändern, was sowohl grammatikalisch als auch inhaltlich gravierende Bedeutungsveränderungen mit sich bringt.
Präsens etwa: Ich sterbe, purer Humbug im ersten Hinsehen, entwickelt die Aussage aber eine eigentümliche Dynamik, wenn zum Beispiel die noch verbleibenden Lebenstage als Kalenderblätter gedacht werden, deren jeweils eines am Ende eines jeden Tages als abgestorben zu Boden fällt.
Ich starb könnte die Aussage eines Norddeutschen Beamten sein, der Petrus an der Himmelstür in geschliffener Geschäftssprache zu erklären versucht, warum er nicht mehr bei der Arbeit sei, und Ich bin gestorben wäre dann die österreichische Version selbiger Situation.
Die in Wirklichkeit sehr seltsame Aussage Ich bin gestorben gewesen (Plusquamperfekt) klingt deshalb so vertraut, weil sie sonntäglich in allerlei Kirchen im Zusammenhang mit einer Geschichte vorgetragen wird, deren Wurzeln so weit in der Vergangenheit zurück liegen, dass allein ihre Wiederholung sie am Leben erhält.
Ich werde gestorben sein (Futur II) weckt ebenfalls religiöse Gefühle, bezieht die Aussage doch Kraft aus der Hoffnung, dass nach dem eigenen Tod noch etwas Relevantes existieren werde, worauf man sich jetzt schon beziehen und worüber man jetzt schon sprechen könne. Werden, die Futur-Form von sein, lässt sich ins Präsens in diesem Fall auch mit Hilfe des Tricks der Umwandlung des Verbs-Geschlechts von Aktiv in Passiv in die Gegenwart befördern: Ich bin gestorben, mit ähnlichem Effekt wie bei letztgenanntem Futur II. Der der sehr reale Indikativ wird hier inhaltlich zu einer abstrakten Aussage, der Geist schwebt über dem leblosen Körper und kommentiert dessen Seinszustand.

Das Grammatik-Experiment lässt sich noch eine Weile fortsetzen, vor allem, indem man die Personalform austauscht und damit etwa Aussagen trifft wie: Du wirst sterben. oder Er wird sterben. oder in Verquickung mit veränderten Verbzuständen: Wir waren gestorben. bzw. Ihr werdet gestorben sein. oder absurder, wieder erweitert um ein Modalverb: Sie werden gestorben sein müssen.


Ich breche die Übung an dieser Stelle ab, empfehle die eingehende Beschäftigung mit selbiger im Selbststudium zum Morgenkaffee und kehre zurück zum Ursprung.

Ich werde sterben.

Der Tod ist das einzig Sichere im Leben. Ohne Entrinnen, ohne Gnade, ohne Argumente. Ich werde einmal nicht mehr sein. Ich werde einmal das Zeitliche segnen, mich über den Jordan begeben, als Körper verwesen und ins Allgemeingut des Universums zurück kehren, als Geist vielleicht in den Gedanken anderer noch eine Weile fortbestehen, aber leben werde ich einmal nicht mehr.
Nicht nur einem kontrapunktivistisch veranlagten Menschen, wie ich einer bin, wohnt dem Nachdenken und Grübeln über den Tod, dem ich selbstverständlich noch eine ganze Weile nachgehen werde, auch das Denken über das Leben inne. Zum Glück, sonst könnte man ja trübsinnig werden.
Diesem Leben werde ich jetzt nachgehen und ich werde versuchen es zu fassen.

Ich werde sterben. Wünscht mir Glück.